Wunderando (3)

Der große MGB-Heiligencheck

It’s tough as hell to become a damn saint. No job for candy-asses, Porsche pussies, and gun nuts. You’ve gotta take it like Rocky. Or Saint fucking Tintin.
(Artwork: Munich Globe Bloggers)

Es wäre völlig unpassend, würde Tintin (…) auf seinem wolkigen Schloss Mühlenhof die Beine hochlegen oder als Mumie in einer Pyramide dahin pergamentieren.

Munich Globe Bloggers – Saints Department

(Hier geht’s zur ersten Folge: Wunderando 1)

Um die Spannung Richtung Unendlichkeit zu wuppen, bedienen wir uns eines ebenso alten wie ökonomisch optimierten Tricks: Wir faseln etwas von einem technischen Survey-Fail, wonach die Plätze 8 bis 10 falsch berechnet wurden. Nach einem qualitätsmanagementigen Reload der Ranking-Credits unter vollständiger Berücksichtigung des quasi unsichtbaren Kleingedruckten im zuständigen Paragrafen-Friedhof wurden diese Plätze … Trommelwirbel und all der Scheiß … neu vergeben. Fanfare und so.

Mr Dorian Graying?1

Auf Platz 9 multivehikelt2 sich Saint Tintin alias Sankt Tim. Als Protagonist unzähliger neo-präpubertärer Sofaversinkungen füllte er ganze Containerschiffe mit seinen Saint-Credits. Der Ruhm-Reporter schrieb zwar nie auch nur eine Zeitungszeile, stattdessen sammelte er Abenteuer wie Homeofficer Briefmarken und verschaffte Schurken ein ungemütliches neues Zuhause. Auch in seiner Heiligenversion kümmert sich Tintin um Ungerechtigkeiten aller Art. Allerdings wirkt er im Jenseits überfordert von diesem Rund-um-die-Uhr-Job. Zumindest hat er seinen marathonjugendlichen Elan verloren. Vielleicht ist das Jenseits für Comichelden aber genau die Umkehrung ihrer fiktionalen Realwelt, in der sie nie altern. Demnach wäre Sankt Tim jetzt ein steifer alter Sack, der es verpasst hat, sich dank Liebscher-Bracht-Übungen3 „mit 90 noch wie 25“ zu fühlen. Hier nebelstochern selbst wir, die illegitimen Erben von Jonas, dem letzten Detektiv4.

Vom Schlimmtim zum Jimtim

In den frühen Folgen aus den 1920er- und 1930er-Jahren (Tim im Lande der Sowjets, Tim im Kongo) war Tintin noch ein imperialistisches kleines Arschloch, das Tiere abknallt und sich in einer Sänfte tragen lässt von „Wilden“ mit minimal elaborierter Diktion. In späteren Folgen wird er mehr und mehr zum weltbürgernden Fair-Play-Apologeten. Inspiriert von einer Traumvision reist Tim sogar nach Tibet, um im Himalaja seinen verschollenen chinesischen Freund Tschang zu suchen. Immer wieder hilft der zivilcouragierte Tintin unterdrückten Locals gegen arrogante und gewalttätige Herrenmenschen (Der blaue Lotos; Der Sonnentempel). Und für seinen Fellfreund Struppi riskiert Tim jeder Zeit sein Leben (und umgekehrt). Allerdings würden Cancel-Culture-Fans vermutlich Tim nur zu gerne power-shitstormen, weil sie seine Verkleidungs- und Maskerade-Tricks, mit denen er sich weltweit in Locals verwandelt, als „kulturelle Aneignung“ oder „Whatever-color“-facing interpretieren.

Schloss Mühlenhof is not enough

Wir haben es bereits angedeutet: Sankt Tim ist ein verdammter Gerechtigkeitsbursche. Es wäre völlig unpassend, würde er im Post-Life in den XXL-Chiller-Modus switchen und auf seinem wolkigen Schloss Mühlenhof die Beine hochlegen oder als Mumie in einer Pyramide dahin pergamentieren. Das wäre wie ein alternder Winnetou, der sich in eine Höhle verkriecht5 anstatt die Prärie zu entschurken. Praxistestfrage 1: Wie hilfreich ist Saint Tintin? Der Kleine mit der USP6-Tolle motiviert weltweit zur Eigenverantwortung – und das noch lange nach seinem letzten vollendeten Abenteuer von 1976. Knock out your villain yourself! Praxistestfrage 2: Und wie erreichen ihn Hilfsbedürftige? Per Telepathie wie Mik Esdanitoff in Flug 714 nach Sidney? Via Old-School-Morsing? Oder per mönchstibetischer Schwebe-Vision? Pragmatischer wäre es, Tintins Sidekick Snowy anzulocken. Mit einem Knochen, der in schottischen Whisky gereift ist. Wo Struppi schnüffelt, ist Tim nicht weit. Auch ein urcharismatischer Kapitän-Haddock-Fluch könnte Saint Tintin aus seinem jenseitigen Schloss Mühlenhof locken: Beim troglodytischen Diplombanditen!

Quick Facts

  • Heiligenschein-Leuchtkraft: 714 MFK (meteorische Feuerkugeln wie Tim eine durchs Teleskop sieht in Der geheimnisvolle Stern)
  • Anrufungseffizienz: abenteuerlich, absolut abenteuerlich.
  • Wunderreichweite: weltweit plus Mond.
  • Torture-Level: 8,5 (bekam ordentlich was ab, der Junge)
  • Instagrammability: Als King of Universalismus mit Dog-Content hat Sankt Tim sein eigenes Dingsdagram, besser bekannt als Timstagram
  • Kernkompetenzen: Gaunereien wittern; integrierter Ungerechtigkeitsdetektor; Any-Vehicle-Skillling; Power-Survival;
  • Künstlernamen/Nicknames: Stiff Quiff; Der Büschel von Brüssel; The non-writing Newsman
  • Powerslogans: „Schloss Mühlenhof is not enough!“, „Ein Königreich für ein Hörgerät!“, „Tschang!“
  • Jubelgeste (bei erfolgreichem Wunderabschluss): Tänzchen mit Struppi
  • Autobiografie: Trouble is my Hobby (1954); One follower is enough (if it has four legs and his namy is Snowy) (1983);
  • Lieblingsbücher: In 19 Abenteuern um die Welt;
  • Lieblingsfilm: Isle of Dogs (2018)
  • Lieblingsort: Any danger place
  • Lieblings-Apps: Bienlein-Gadgeter (hilft beim Erfinden spleeniger und eher antifunktionaler Gadgets); Schulze-and-Schultze-Radar (warnt bei Schulze-und-Schultze-Sichtungen im Umkreis von 50 Meilen vom aktuellen Standort)
  • Berufswunsch: Unterwasserastronaut
  • Lieblingsheiliger: Saint Snowy
  • Lieblingssong: The one Bianca Castafiore doesn’t sing
  • Bevorzugter Treibstoff: Neugier
  • Auszeichnungen: Comic Hero of the Century (2000); Mr. Hairstyle of the Year (mehrfach)

(Hier geht’s zu Platz 8 unseres Heiligenrankings: Wunderando 4)

Post-its

  1. Dorian Graying: Neologismus aus Douglas Couplands Roman Generation X (1991), definiert als „the unwillingness to gracefully allow one’s body to show signs of aging“ (dt.: „Die Weigerung, nachsichtig zuzulassen, dass der Körper Anzeichen des Alterns aufweist“). Die Psychologie kennt den Begriff Dorian-Gray-Syndrom: Es steht für die Unfähigkeit, psychisch zu altern oder zu reifen und hat Ähnlichkeiten mit dem populärwissenschaftlicheren Peter-Pan-Syndrom. ↩︎
  2. Tintin alias Tim beherrscht jedes erdenkliche Fortbewegungs-Gadget des 20. Jahrhunderts: Flugzeuge, Schiffe, Boote, Reittiere aller Art … ↩︎
  3. Liebscher & Bracht: youtube-ige Schmerzologen ↩︎
  4. Jonas, der letzte Detektiv: Eine knorke Sci-Fi-Noir-Hörspielserie von Michael Koser, die in den 80er Jahren im Radio lief ↩︎
  5. vgl. den unfassbar schlechten TV-Film: Winnetous Rückkehr von 1998, in dem Pierre Brice den Winnetou mit seinem französischem Originalakzent spricht ↩︎
  6. USP: Unique Selling Proposition; Werbewichtigsprech für „Alleinstellungsmerkmal“ ↩︎

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