„Is this like a mission?“
Matt Green: The World Before Your Feet (2018)
„Yes, it’s a mission.“
Viele Kinohelden haben eine Mission. Sie sinnen nach Rache, wollen die Welt retten, suchen die große Liebe oder wollen einfach nur überleben. Sie möchten mitten im Dschungel ein Opernhaus bauen, (nicht ganz freiwillig) einen entführten US-Präsidenten aus dem post-apokalyptischen Knastghetto Manhattan befreien oder mit einem Aufsitzrasenmäher 240 Meilen durch Amerika tuckern. Matt Greens1 Mission passt auch nicht in die Mainstreambox: Er sagt seinem Office-Job „Bin dann mal weg“ und beginnt, jede einzelne Straße von New York City abzulaufen. Gimme five! Die fünf Boroughs – Bronx, Brooklyn, Manhattan, Queens und Staten Island – liefern ganz schön Pflaster. Mit Brücken, Parks, Küstenwegen und so um die 8.000 Meilen, schätzt Matt.
I’m walkin‘ here
Cool. Und was soll das? Ganz einfach. Matt fühlt sich gut dabei. Viel besser als auf seinem Bauingenieursschreibtischstuhl. Der Walking Man läuft nicht einfach nur vor sich hin. Er beobachtet, entdeckt, fotografiert, redet mit Leuten, recherchiert Details im Internet und dokumentiert seine Mission auf dem Blog I’m Just Walkin‘. Das ganze ohne großen Plan. Einzige Vorgabe: Jede einzelne Straße ablaufen.
You walkin‘ with me?
Jeremy Workmans Dokfilm New York – Die Welt vor deinen Füßen folgt Matt einige Jahre durch die Hoods. Bei aller filmischen Aufbereitung kommt das extrem spontan. Und gibt einen ziemlich guten Fußabdruck von Matts Dauergehbedürfnis. Groovy ist die absolute Gleichwertigkeit der Straßen – eine abgefuckte Sackgasse ist für Matt so interessant wie der Time Square. Deshalb ist der Film auch kein New-York-Standard-Sight-Hopping. Jede Straße wird zur Sehenswürdigkeit, weil Matt überall etwas entdeckt oder jemanden kennenlernt, wie die Lady aus einem dieser vielen Hoodfriseurläden mit Z-wie-Zorro-Fimmel: „Benjie’s Procutz Barber Shop“ „Headquartaz Salon“, „Fresh Kutz“, „Girlfriendz Trendz Hairtique“ etc. Erinnert an Berlin. Und diesen sympathischen Dude, der auch gerne geht und immer ein Buch unter dem Arm trägt, damit niemand Angst vor ihm hat. Die beiden gehen dann ein Stück zusammen.
A street map named Desire
Am meisten faszinieren mich Leute, die etwas tun, weil sie es tun wollen. Auch wenn andere denken, das ist bescheuert. Matt Green: Die Welt zu deinen Füßen
We call it Diogenesismus. In seinem Blog schreibt Matt:
„If you think I’m a worthless bum, feel free to email me and tell me to ‚get a job, bozo‘.“
Der Mann nimmt das Gehen ernster als sich selbst.
„Gehen, ist ein perfekter Weg, um die Welt zu erforschen“, sagt Matt und erinnert daran, dass die Menschen zum Gehen gemacht sind, auch wenn sie heute mehr Zeit vor der Glotze, im Büro oder im Auto sitzen. Wie Matt New York aufnimmt, das hat etwas von Achtsamkeitsmeditation, von Geh-Yoga. Back to the Rooz.
Ein Walden2 to walk.
New York – die Welt vor deinen Füßen (Original: The World Before Your Feet), Dokfilm von Jeremy Workman (Regie) und Matt Green (Walker), USA 2018, 95 Min., Filmstart (D): 12.3.2020.
Zufußnoten
- Matt Green im Chat mit den Munich Globe Bloggers – Teil 1: Everybody’s Neighbour
- Wir beziehen uns hier klaromato auf das gleichnamige Buch von Henry David Thoreau (1817–1862). Walden beschreibt Thoreaus Erfahrungen während seines zweijährigen Aufenthalts in einer selbstgebauten Blockhütte in einem Wald am Rande der Kleinstadt Concord, Massachusetts.