Der große MGB-Heiligencheck
Traue keinem über 10.
Pippi Langstrumpf (Autobiographie)
(Hier geht’s zur ersten Folge: Wunderando 1)
So lasst uns denn ein Limonadenbäumchen pflanzen
Auf Platz 3 des MGB-Heiligenrankings seiltänzelt sich Sankt Pippi, die Patronin aller Verächter dummdreister Domestizierungsaggressoren: Schule, Eltern, Cops, Behörden, Ämter, Fernsehen, Pfaffen, Mode, Weihnachten. Diese gefühlte Coolness verdankt Pippi nicht allein ihrer Nullachtmustermannverweigerung, ihrem Faible für Anarcho-Späßchen und ihrer monsterlässigen Hütte. Pippi hat einen Limonadenbaum. Allein damit hat sie mehr Argumente am Start als alle Mainstream-Saints zusammen. Die bluten nur theatralisch durch die Gegend und feilschen mit urfadem Askese-Gedöns um unverdiente Respekt-Credits. Sankt Pippi erwartet weder inbrünstige Schulausfall-Gebete noch irgendeine läppische Pilgerreise nach Taka-Tuka-Land oder auf die Schwedeninsel Go-Gotland, wo ein Großteil der TV-Serie mit Inger Nilsson abgekurbelt wurde und immer noch Pippis Film-Bude spaßbereit herumlungert. Wer Pippi in ihrer jenseitigen Villa Kunterbunt kontaktieren will, kann ein Limonadenbäumchen pflanzen. Oder einfach mehr wie Pippi leben, weniger wie Annika oder noch schlimmer: Fröken Prysselius.
Wir müssen leider draußen bleiben
Erwachsenwerdverweigerung1 ist allerdings kein USP Sankt Pippis. Die verdienten Adultness-Asketen Benjamin Braddock (The Graduate), Holden Caulfield (The Catcher in the Rye), Harold Chasen (Harold and Maude), Mathias Grewe (Von der Nutzlosigkeit, erwachsen zu werden) und Edgar Wibeau (Die neuen Leiden des jungen W.) gammeln uns hier spontan in den Sinn. Allerdings hebt Pippi ihren Anti-E-Kurs auf ein anderes Level. Anstatt sich selbst als Anti-Erwachsene zu inszenieren und aktiv den Kontrast zu suchen, ignoriert sie die Erwachsenen einfach, als wären sie geschmacklose Mobil-Deko oder wichtigtuerische Verkehrsschilder, und macht einfach ihr Ding. Erwachsene haben bei Pippi einfach nichts verloren. Der Aufkleber mit dem Text „Wir müssen leider draußen bleiben“ und einem gezeichneten Hund, der früher oft an Ladentüren zu sehen war – die fröhliche Anarcho-Variante ersetzt den Hund durch Cops im Seyfried-Stil2 – klebt quasi unsichtbar am Gartentor der Villa Kunterbunt, nur eben mit Erwachsenen statt Hund.
Der Prysselius-Faktor
Hilft Sankt Pippi also nur E-Verächtern? Nope. Die Zahl der Lebensjahre ist für ihre metaphysische Fernhilfe weniger relevant als die Haltung. It’s the Prysselius-Faktor! Je weniger spießig und erwachsen der hilfesuchende Erdgast, desto wahrscheinlicher Pippis Gunst. Annika und Tommy sind die Obergrenze des gerade noch Akzeptablen. Und wie hilft Sankt Pippi? Bizarre Rezeptideen (Nagelsuppe)? Spunksuchtipps? Nope. Sankt Pippi rettet euch vor drohendem Unterabenteuer und Erikamustermännlichkeit. Sie befreit euch aus spießigen Jobs, von konsumbürgerlichen Freundeskreisen und Familysituations, von einfältiger Mainstreamigkeit, Duckmäusering und fucking Law-Abidance. Voraussetzung ist, dass ihr eure Notlage erkennt und den ersten Schritt macht Richtung mehr Pippi.
Quick Facts
- Heiligenschein-Leuchtkraft: 99 schwedische Südseesonnenaufgänge
- Anrufungseffizienz: Müsst ich euch selber zusammenplutimizieren
- Wunderreichweite: Von Taka-Tuka-Land bis zum Sternbild Kleiner Onkel
- Torture-Level: 10 (notorische Erwachsenenpräsenz in der Umgebung)
- Instagrammability: Fashion-Ikone, Superinfluenzer, die weltmeisten Follower (inkl. Totenkopfäffchen, Pferde und Papageien)
- Kernkompetenzen: Bed-Ballooning, Cop-Jerking, Spunk-Investigating, Wheelless Cycling
- Künstlernamen/Nicknames: Gloria Viktualia; Queen of not giving a fuck;
- Autobiografie: Don’t trust anyone over 10
- Powerslogans: „It’s cool to live in Villa Villekulla“; „That Mr. Nilsson I have, really ties the villa together“;
- Jubelgeste (bei erfolgreichem Wunderabschluss): Pippi-Dance
- Veröffentlichungen: Plutimikation für Dummies; Haus, Affe, Pferd – die drei Säulen post-spießiger Selbstbestimmung; Fancy Mess – Jazz your Home Pippi Style; The Girl without Parrot Tattoo;
- Lieblingsland: Taka-Tuka-Land
- Lieblingsfilm: Der rote Korsar (1952)
- Lieblingssong: Everybody’s Got Something To Hide Except Me And Mr. Nilsson (The Apple Greys)
- Lieblingscomic: Tank Girl
- Bevorzugter Treibstoff: Konrads Spezialkleber (KSK)
- Auszeichnungen: u. a. Coolest Fictional Character Ever (1945-jetzt); Craft Lemonade Brewer of the Year; The Fucking Queen of Autonomy; Freckle Face of the Century.
(Hier geht’s zu Platz 2 unseres Heiligenrankings: Wunderando 10)
Post-its
- vgl. auch unsere MGB-Serie Ketchup in the Sky ↩︎
- gemeint sind die Kult-Comics von Gerhard Seyfried, damals erschienen im Rotbuch Verlag, jetzt bei Fifty-Fifty. ↩︎