The Art of not becoming a fucking 08-Mustermensch
The Dude abides. I don’t know about you but I take comfort in that. It’s good knowin‘ he’s out there. The Dude. Takin‘ ‚er easy for all us sinners.
The Stranger in The Big Lebowski by E. & J. Coen, 1998
(Hier geht’s zu: Ketchup in the Sky – Episode Zero)
In The Big Lebowski tummeln sich durchweg Knallköpfe. Walter, der Diplomcholeriker und Großmeister der Vietnam-Referenz („Smokey, wir sind hier nicht in Vietnam! Wir sind beim Bowling. Da gibt es Regeln!“); Big Lebowski, der kapitalismussüchtige Geldsack auf Rädern („Sie sind doch nur scharf auf ein bisschen schnelles Geld wie alle anderen auch. Sind Sie berufstätig, Mr. Lebowski?“); Brandt, der schmierig devote Knecht des Big Lebowski („Er hat sich schon mal privat mit dem Präsidenten getroffen, obwohl es leider keine Gelegenheit für einen Fototermin gab.“). Bis zur popeligsten Nebenrolle.
In anderen Filmen wäre das eine stilistische Übung, um die spleenige Hauptfigur zu pimpen. Message: Jeder Mensch hat Macken. Und Normalität ist nur eine Frage der Perspektive. Bei The Big Lebowski bleibt der Dude bei aller Sympathie für seinen Nonstop-Chill-Modus der schrägste unter schrägen Vögeln. Zumindest auf die ersten hundert Blicke. Warum? Weil er nicht robotet wie Joe Doe.
Der Kult ums Lohnbuckeln ist ein globales Phänomen. Selbst der Sozialismus, angetreten als Alternative zur Ausbeutungssystem, verherrlichte das Roboten. Beim Roboten nicht dabei zu sein, ist das ultimative Ausschlusskriterium jeder modernen Gesellschaft. Der Big Lebowski beschimpft den Dude als „Penner“, obwohl er eine Wohnung hat. Halbherzige Anerkennung erfährt der Dude erst, als er den Fake-Job Lösegeldkurier übernimmt und sich dabei von allen beteiligten Gaunern über den Tisch ziehen lässt.
Wer sich die Kunst, nicht erwachsen zu werden, aneignen will, braucht eine gewisse Dudeness. Spießergesülze und Status-Firlefanz sollten einem Lichtjahre am Arsch vorbeigehen. Ungefähr wie Monty Pythons Schwarzem Ritter die amputationshaltigen Schwertstreiche von König Artus: „’Tis but a scratch!“ Der Dude ist ein wahrer Meister dieser Kunst. „The Dude abides.“1 Wie eine elegant geworfene Bowlingkugel rollt er in seiner Bahn, lässt sich nicht irritieren von den absurden Sinnstiftern einer durch und durch lächerlichen Gesellschaft. Hier stapft uns Old Waldenhand in die Arme: „Der Reichtum eines Menschen steigt mit der Anzahl der Dinge, die er nicht braucht“2, sagt uns das Tattoo auf seinem urcoolen Mittelfinger Richtung KapitalismUSA.
Vielleicht ruht der Dude aber auch so sehr in sich, weil er Freunde hat, die ihn akzeptieren in seiner ganzen Spleenigkeit. Anders als Graduate-Ben3, Mathias Grewe4 und Holden Caulfield5, die auf sich alleine gestellt sind. Okay, Walter mag ein verdammter Knallkopf sein und hat seinen verdammten Anteil am Fustercluck, in das die drei Freunde geraten. Doch Walter hält einfuckinghundert Prozent zum Dude. Das ist cool.
(Weiter zu Folge 4: Ketchup in the Sky – Episode Four)
Post-its
- Sinngemäß: Der Dude bleibt / Der Dude verweilt / Der Dude geht seinen Weg ↩︎
- Henry David Thoreau: Walden, 2007 (Original: Walden; or, Life in the Woods; 1854) ↩︎
- The Graduate (Die Reifeprüfung), 1967, Regie: Mike Nichols ↩︎
- George Heinzen & Uwe Koch: Von der Nutzlosigkeit, erwachsen zu werden, 1985 ↩︎
- J. D. Salinger: The Catcher in the Rye, 1951 ↩︎