Donkey King: Highway to Hee-Haw

Chat mit „Esel- und Autoren-Asyl“-Initiator Rumen Milkow (3)

You talkin‘ to me? Yep. Just a word with you: The goody ol‘ walking boots and the smile of a jolly donkey, what else do ya need?
(Artwork: Munich Globe Bloggers)

Der Rest war Verhandlungssache: Lässt du mich ausreichend weiden, folge ich dir.

Rumen Milkow: Autor, Fotograf, Eselversteher mit Melkberechtigung

(Hier geht’s zu Folge 1: Donkey King: Berlin – Spanchevtsi, one-way)

Im dritten Teil unserer Chats mit Rumen Milkow, Initiator des Donkey Sanctuary & Writers Retreat, erfahren wir etwas über seine zauberohrige Wanderbegleiterin Raina Velitshka. (Die Erläuterungen zu den hochgestellten Zahlen stehen am Ende des Textes unter Hufnoten.)

Donkey Deals

Munich Globe Bloggers (MGB): Wie kam deine Eselfreundin Raina Velitshka zu ihrem prinzessinesken Namen?

Rumen Milkow (RM): Raina heißt die Frau aus meinem Dorf, dir mir die Eselin verkauft hat. Sie übernahm die Eselin von ihrem verstorbenen Mann, einem Schäfer, der sie Velitshka nannte, was ich aber erst später erfahren habe. Velitshka ist die Verkleinerungsform von Groß, also „Größchen“. Da ich sie bereits Raina genannt hatte, entschied ich mich spontan für einen Doppelnamen: Raina Velitschka. Es war die richtige Entscheidung, wie sich auf meiner Wanderung herausstellte. Raina Velitshka kam überall gut an und blieb hängen. Bei allen, denen ich begegnet bin, hat sich der Name ins Gehirn eingebrannt.

MGB: Ihr seid zusammen 40 Tage lang durch Bulgarien gewandert und habt 750 Kilometer zurückgelegt. Wie hat das funktioniert und was ist da mit euch passiert?

RM: Erstmal musste ich Vertrauen aufbauen zu Raina Velitshka, was nicht so einfach war. Sie war nicht mehr die jüngste. Auch bei Tieren gilt, dass mit dem Alter alles immer länger dauert. Zudem haben wir beide einiges an Gewicht verloren, was uns gut getan hat. Am Ende waren wir wie ein altes Ehepaar, das ohne viele Worte gut miteinander zurechtkam.

MGB: Wie bist du mit Meinungsunterschieden umgegangen?

RM: Ich musste erst lernen, dass ich als „Reiseleiter“ den Ton angebe. Raina wusste ja nicht, wo die Reise hingehen soll, obwohl sie sicherlich ein Gefühl dafür hatte, dass es die Reise ihres Lebens wird, wie für mich. Hätte ich nicht den Ton angegeben, die Richtung vorgegeben, wäre praktisch gar nichts passiert. Dann wären wir vermutlich nie aus unserem Dorf herausgekommen. Manchmal kam ich mir auch vor wie ein Dompteur – ein Eseldompteur. Der Rest war Verhandlungssache: Lässt du mich ausreichend weiden, folge ich dir. Meist allerdings im Eseltempo – eher zwei bis drei als fünf oder sechs Kilometer pro Stunde, woran ich mich gewöhnen musste.

MGB: Gut, dass du sie nicht Speedy Gonzales genannt hast. Habt ihr noch Kontakt?

RM: In der Nähe des Endpunktes meiner Wanderung, am Schwarzen Meer, habe ich Raina Velitshka an einen Künstler verkauft. Er machte auf mich einen vertrauenswürdigen Eindruck und bot mir an, meine Eselin im Jahr drauf besuchen zu können. Das habe ich getan. Ein Fehler! Raina war nicht mehr da. Das war sehr schlimm für mich. Beim nächsten Mal würde ich es anders machen.

„Ich bin mein eigener Campingbus. Singing yeah yeah iah iah yeah!“ Die bulgarische Kult-Eselin und gefühlte Miss Donkey 2012: Raina Velitshka
(Foto: Rumen Milkow)

Trust me, I’m the Donkey

MGB: Woher kommt deine Faszination für Esel? Zufall? Oder ein bulgarisches Esel-Affinitäts-Gen?

RM: Ich vermute, es hat damit zu tun, dass ich auf dem Dorf groß geworden bin. Das erste Mal saß ich mit vier oder fünf auf einem Esel. In Bulgarien, am Schwarzen Meer. Ein Bauer stand mit seinen zwei Eseln an der Ufer-Promenade, um sich etwas dazu zu verdienen. Mein Cousin und ich durften zuerst auf den Esel. Quasi meine Esel-Initiation. Danach durfte mein älterer Bruder auf den Esel, der sogleich mit ihm durchging. Der Bauer ritt mit dem anderen Esel hinterher, um Esel mit Bruder einzufangen. Ein traumatisches Erlebnis für mich. Ich war ernsthaft in Sorge. Allerdings mehr um meinen Bruder als um den Esel. Später hatten mein Onkel und meine Tante in Bulgarien einen Esel, mit dem wir einiges unternommen haben und den ich auch oft fotografiert habe. Auch andere Esel habe ich fotografiert. Damals gab es sehr viele Esel in Bulgarien. Praktisch jede Familie hatte einen. Meistens hieß er Marko wie der Esel meines Onkels, der selbst auch Marko hieß. Bis heute gibt es einen Running Gag in Bulgarien: „Nicht jeder Esel heißt Marko!“

MGB: Dann denken Bulgaren bei Marco Polo vermutlich an Esel-Polo. In der Literatur gibt es viele Beispiele von Wanderungen, bei denen Menschen mit Eseln unterwegs sind oder umgekehrt1: Welcher literarische Eselszugang kommt deinen eigenen Erfahrungen am nächsten?

RM: Natürlich habe ich mich vor meiner Wanderung belesen. Das meiste mitgenommen habe ich aus Carmen Rohrbachs Muscheln am Weg – Mit dem Esel auf dem Jakobsweg durch Frankreich. Carmen ist Biologin, kennt sich also mit Tieren aus. Ich selbst bin gelernter Tierpfleger, habe im Kuh- und im Pferdestall gearbeitet, habe sogar eine Melkberechtigung und darüber hinaus vier Semester Veterinäringenieur studiert. Einen DDR-typischen Beruf, den es heute nicht mehr gibt. Aber zurück zu Carmen Rohrbach: Sie ist auch ein phantastischer Mensch. Nach meiner Wanderung habe ich sie persönlich kennengelernt, seither sind wir in Kontakt.

MGB: Der spanische Romancier Juan Ramón Jiménez schrieb über seinen Esel Platero: „Er ist mir so ähnlich, so verschieden von den anderen, dass ich dazu gekommen bin, zu glauben, er hat dieselben Träume wie ich.“2 Hast du bei deinen Esel-Begegnungen auch Wesensverwandtschaften entdeckt?

RM: Vermenschlichungen von Tieren finde ich generell schwierig. Wichtig erscheint mir das bereits erwähnte Vertrauen zu sein. Tiere spüren instinktiv, ob sie einer Person vertrauen können oder nicht. Der Mensch hat allerdings verlernt, sich auf seinen Instinkt zu verlassen. Das ist zumindest meine Erfahrung. Und das ist etwas, was man wieder lernen sollte: Seinem Instinkt vertrauen.

On the Trail again / Like a bunch of rovers we trek down the high plains / We’re the best of friends / Insisting that the world can kiss our bum: Rumen Milkow & Raina Velitshka
(Foto: Rumen Milkow)

(Weiter zu Folge 4: Donkey King: Smart Hooves)

Hufnoten

  1. Wir denken da u. a. an Juan Ramón Jiménez: Platero und ich (O: Platero y yo, 1914); Andy Merrifield: Die Weisheit der Esel – Ruhe finden in einer chaotischen Welt (O: The Wisdom of Donkeys – Finding Tranquility in a Chaotic World, 2008) und Brian Sewell: Pawlowa oder Wie man eine Eselin um die halbe Welt schmuggelt (O: The White Umbrella, 2015), aber es gibt noch viel, viel mehr. ↩︎
  2. Zitat aus: Juan Ramón Jimenez: Platero und ich, Insel-Verlag 1955. ↩︎

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