Donkey King: The next big thing

Chat mit „Esel- und Autoren-Asyl“-Initiator Rumen Milkow (2)

You talkin‘ to me? Yep. Just a word with you: The goody ol‘ walking boots and the smile of a jolly donkey, what else do ya need?
(Artwork: Munich Globe Bloggers)

Wenn ich da bin, bin ich da. Bis dahin zählt nur der Moment.

Rumen Milkow: Autor, Fotograf, Esel-Amigo

(Hier geht’s zu Folge 1: Donkey King: Berlin – Spanchevtsi, one-way)

Im zweiten Teil unserer Chats mit Rumen Milkow geht es um sein Projekt Donkey Sanctuary & Writers Retreat. (Die Erläuterungen zu den hochgestellten Zahlen stehen am Ende des Textes unter Hufnoten.)

Donkey Age

Munich Globe Bloggers (MGB): Du planst einen Rückzugsort für Schreiberlinge und Esel. Was verbindet die beiden?

Rumen Milkow (RM): Lange habe ich überlegt, was das Wesen der Kunst und des Schreibens ist. Ich komme immer mehr dazu, dass wahre Kunst „selbstkonfrontative Kunst“ ist, was Nietzsche so formulierte: „Schreibe mit deinem Blute und du wirst erfahren, dass Blut Geist ist.“1

MGB: Zarathustra, der Grundstein eines jeden nahrhaften Hirnfrühstücks! Sorry, manchmal geht der Zitiergaul mit uns durch … Bitte weiter!

RM: Auf dieser Heldenreise zu sich selbst kann der Esel mehr als nur ein guter Begleiter sein. Nicht nur Künstler können von Eseln lernen – alle Menschen. Vorneweg, dass der Esel sich zu nichts zwingen lässt, sondern nur das tut, wovon er auch wirklich überzeugt ist. Ein Thema, das in Zukunft immer wichtiger werden wird. Deswegen auch meine Prognose: Der Esel ist das nächste große Ding nach Corona.

MGB: Donkey Ageschön wär’s! Dein Projekt klingt ambitioniert …

RM: Ja, mein Projekt ist ein Marathon, kein Kurzstreckenlauf. War mir von Anfang an klar. Auf meiner Wanderung mit Eselin Raina Velitshka in 40 Tagen 750 Kilometer quer durch Bulgarien habe ich gelernt, darauf zu schauen, was ich heute schaffen kann. Würde ich bei meinem Projekt nur auf das Ziel schauen, das heute noch in weiter Ferne liegt, würde ich vermutlich bald aufgeben. Das Projekt hat so gesehen keine Deadline. Wenn es fertig ist, ist es fertig. Genau wie bei meiner Wanderung: Wenn ich da bin, bin ich da. Bis dahin zählt nur der Moment.

MGB: We dig your style, man!2 Hast du dich damit auch bei Freiwilligendiensten beworben? Ein tolles Projekt für ein internationales Workcamp.

RM: Bisher nur indirekt. Durch meinen Freund aus Bremen hat sich der Kontakt zu zwei Zimmermännern aus dem Allgäu ergeben. Sie wollen mich im Oktober besuchen und umsonst am Stall arbeiten, aus dem der Rückzugsort für Autoren werden soll. Ich kann mir durchaus vorstellen, in Zukunft auch aktiv auf den entsprechenden Plattformen nach Freiwilligen zu suchen.

Möhrenzollstation Magaregrad: „Keep your driver licence but show us your fucking carrots, Dude!“
(Foto: Rumen Milkow)

Donkey Meditation

MGB: Eine Freundin hatte mal die Idee für eine Maulwurf-Watching-Meditation, aber Esel-Watching-Meditation klingt noch interessanter, weil du den Esel zumindest siehst. Für uns passt eine Esel-Meditation ganz gut in das gefühlte neue Achtsamkeitszeitalter. Und zu Andy Merrifields Erkenntnis: „Ein australisches Sprichwort lautet: Wenn du Esel auf einer Wiese beobachtest, vergiss deinen Stuhl nicht. Man kann sie Stunde um Stunde betrachten – ein Anblick, der hypnotisch wirkt und süchtig macht. Es fällt schwer, sich von ihm loszureißen, wenn man dem Zauber erlegen ist.“3

RM: Donkey Meditation finde ich großartig. Ich wollte schon immer meditieren, nur hat mir bisher der Einstieg gefehlt. Vielleicht solltet ihr euch Donkey Meditation patentieren lassen, so wie ich Der Esel – das nächste große Ding nach Corona. Übrigens: In Italien ist der Esel seit einigen Jahren ein big deal bei der Therapie von Menschen. Und wer es nicht beim Esel Watching belassen möchte, kann eine Eselwanderung machen: beim Eselwerk im Harz, bei den Eselfreunden im Havelland oder bei den HappyDonkeys am Fuße des Rila-Gebirges in Bulgarien. Ich kenne alle Betreiber persönlich, es sind gute Leute, so wie Esel-Leute eigentlich immer gute Leute sind. Ist zumindest meine Erfahrung. Was Achtsamkeit angeht, ist Bulgarien der ideale Ort, sie zu lernen. Dort kontrolliert man besser vor dem Auffüllen seiner Flasche, ob aus dem Wasserhahn auch wirklich Wasser kommt, bevor man sein altes Wasser wegkippt, um nur ein Beispiel zu nennen.

MGB: Wie denkst du dir die Zusammenarbeit zwischen Autoren und Esel?

RM: Die Idee ist: Schreiben in den Schluchten des Balkans, und wenn die Muse einmal eine Pause macht, sind da immer noch die Esel, die zum Wandern einladen.

MGB: Und wer kümmert sich um die Esel, wenn gerade kein Autor vor Ort ist?

RM: Das ist noch offen. Aufgrund der enormen Abwanderung vor Ort gibt es praktisch nur noch alte Menschen. Zuverlässige Leute sind selten. Eine Ausnahme ist mein bereits erwähnter Bürgermeister. Aus Erfahrung weiß ich, dass in Bulgarien nichts unmöglich ist. Deshalb bin ich optimistisch.

MGB: Woher kommen die Esel für dein Projekt? Wöchentliches Casting?

RM: Was die Esel angeht, die wie gesagt immer schwerer zu finden sind, auch in Bulgarien, hat sich bereits eine Möglichkeit aufgetan. Letztes Jahr habe ich einen Eselfreund nicht weit von meinem Dorf kennengelernt. Als ich ihn und seine 16 Esel Ende März zufällig besucht habe, wurde just in dem Moment eine kleine Eselin geboren. Das sehe ich als Zeichen.

There’s no hiking like donkey hiking. Rumen (r) and his wisdom professor Herkules (l) on their way to Loch Happyness.
(Foto: Rumen Milkow)

(Weiter zu Folge 3: Donkey King: Highway to Hee-Haw)

Hufnoten

  1. Manchmal geht der Zitier-Robot mit uns durch. Was wir quasi pulp-fictionesk sagen wollen: Nietzsches Also sprach Zarathustra ist quasi ein Hamburger für den geistigen Frühstücksmagen. ↩︎
  2. Kleine Anspielung an unseren Freund, den Dude, und dessen Dialog mit dem Stranger. ↩︎
  3. Andy Merrifield: Die Weisheit der Esel. Ruhe finden in einer chaotischen Welt. Nymphenburger Verlag, 2009/2015. (Original: The Wisdomy of Donkeys. Finding Tranquility in a Chaotic World, 2008). ↩︎

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