The Grey Wig in the Sky

Pink Floyds The Wall im MGB-Chitchat (2)

Public Kummerkasten? Punk PowerPoint Presentation? The essence of mankind? All that and also … Pink Floyd: The Wall – „I’m afraid it wasn’t Banksy“-Version.
(Albumcover: Gerald Scarfe/Pink Floyd/Harvest/EMI/1979 – Bonus rocket: MGB)

How can you have any pudding if you don’t eat yer meat?

Pink Floyd: Another Brick in the Wall, Part 2 (from: The Wall, Side 1)

(Hier geht’s zu Folge 1: The red, black and white Album)

Waiting for the Germs

Chief: Easy, Tiger. Hab die Beutel schon raus. Apropos Tiger. Weiß jemand, warum When The Tigers Broke Free im Soundtrack1 auftaucht, aber auf der ursprünglichen Version von The Final Cut2 fehlt?

Scarlett: Laut Internet – immerhin eine Kompetenz in Sachen Schlauschlumpferitis – wollte Waters die Tiger schon ‘79 auf die Mauer sprühen. Die Kollegas haben ihn dann krass eingebremst. Der Rest ist Spekulatius. Neues Veto der von Gilmour, Mason, Wright? Schwer vorstellbar, wenn Waters die anderen auf TFC tatsächlich zu Begleitmusikern degradiert hatte. Und das Argument „zu persönlich“ passt hier nicht mehr: Das ganze Album ist persönlich. Waters hat den Krieg persönlich genommen. Und rechnet mit den Kretins ab, die Kriege lostreten und jenen, die mitmachen. Iron Bitch Maggie kriegt auch mächtig Hundeshampoo auf die Drei-Wetter-Taft-Haube.

Jimmy: Wir driften, Leute.

Jonny: Kein Zauber! Klassenzimmer sind die besten Ablenkungsmaschinen, die ich kenne. War ja auch ab und zu mal in der Schule. Kaum drinnen, sofort wieder draußen. Mindmäßig. Irgendwo zwischen Tahiti und Omega Cenfuckingtauri.

Scarlett: Im Todayspeak wäre The Wall eine Einmauerungslösung für Teenager und ihr Isolierungsfeeling. Dort verorten sie sich gleichzeitig als ausgegrenzt und aufgehoben. Geht Richtung guter Droge. Gibt es den Begriff Sound-Cocooning? In Abgrenzung zum Trendforscher-Begriff Cocooning aus den 80er- und 90er-Jahren: Leute verkriechen sich in ihrer Miethöhle, weil ihnen das Leben draußen zu kompliziert, zu wirklich erscheint – dabei sehen sie es fast ausschließlich durch ihr Spezial-Fenster, die Glotze. Die wiederum ist zumindest eine der Ursachen für ihre angstgepimpte Sicht auf die Welt.

Chief: In seiner Extremform boomte Cocooning während der staatlichen Corona-Manöver: Paranoiker verließen ihre Wohnung nicht mehr – aus Angst, sie könnten sich anstecken und sterben.3 Und das waren keineswegs nur Ü-80-Leute mit diversen Zusatzerkrankungen … In Gaga-Country USA vermutlich auch nach 9/11. Medien-Inkompetenz und Irrationalität gehen quasi im Partnerlook.

The essence of goody old school: sustainable vomitucation.
(Artwork: Gerald Scarfe)

The crappiest Days of our Lives

Jimmy: Und worin liegt die Wall-Magie für alte Säcke wie uns? Dass es Teil unserer Teenager-Geschichte war?

Jonny: Der Unterschied zwischen The Wall und anderen Platten, die wir auch gehört haben, aber wo halt nur Musik drauf war, ist der zwischen richtigen Freunden und Leuten, die wir einfach nur kannten. An deine Freunde, auch wenn sie dich nur ein paar Jahre begleitet haben, erinnerst du dich dein ganzes Leben, die anderen schiebst du ins Archiv. Wir waren quasi alle mit The Wall befreundet. Wer das Album als Teenager gehört hat, hört es später nicht mehr neutral, unbefleckt. Laborologisch korrekt müssten wir The Wall zum Vergleich einem heutigen Teenager vorspielen oder einem gereiften Teenager unseres Alters, auf dessen Jugendplaneten The Wall nicht lief.

Chief: Das Ergebnis könnte uns deprimieren.

Scarlett: Ich habe das Album (anders als Dark Side und Wish) viele Jahre nicht gehört. Ich hatte Angst, es hätte immer noch so viel Macht über mich wie damals und würde mich in den Sumpf ziehen. Dieses Gefühl kenne ich auch von einigen Büchern und Filmen, die mit konkreten Trauma-affinen Episoden verlinkt sind.

Chief: Empfindet ihr heute noch diesen Weltschmerz, der ja vor allem ein Schulschmerz war – bei einigen von uns auch ein Kleinstadtschmerz? Eben das ist auch der Link zum großen Rock ‘n‘ Roll-Gefühl: Das Bedürfnis, auszuchecken aus der geistig engen, kleinkarierten Spießergesellschaft, die einen Tag für Tag mit ihrer formatierten Dummheit belästigt. Und wenn das schwer zu stemmen ist, dann zumindest geistige Freiräume oder Nischen zu finden.

Jonny: Aus Sicht des Teenagers, der ich war, als ich das Album kennenlernte, war es eine rätselhafte Welt, die ich betrat. Ich versuchte, die Texte zu übersetzen, hatte aber nur ein analoges Dictionary und die von Gerald Scarfe hingekritzelten Songtexte auf dem Innencover, die ich stellenweise nicht entziffern konnte, selbst in Verbindung mit Waters’ Gesang. Und auch die Sprachmauer war ein paar Steine zu hoch für mich. Das machte The Wall noch mysteriöser, anziehender.

Jimmy: Wahrscheinlich dachtest du bei der Zeile „Mother, do you think they’ll break my balls“ an Fußbälle.

Jonny: Erwischt. Mir ist nicht aufgefallen, dass das schon durch den Plural komisch ist. Welcher Junge hat schon mehrere Fußbälle? Und wer macht schon einen Ball kaputt, wahrscheinlich wird er einem weggenommen. Und überhaupt: Who the duck is „they“?

(Weiter zu Folge 3: The dark Side of my Spoon)

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  1. Alan Parkers Film Pink Floyd – The Wall flashte 1982 über die Big Screens und enthielt neben den Songs von The Wall u. a. den Song, When The Tigers Broke Free, der 2004 in die Neuauflage von The Final Cut gepresst wurde. Den gesamten Soundtrack gibt es bis heute nur als Bootleg. ↩︎
  2. The Final Cut erschien 1983, also ein Jahr nach dem Film. Der Song war demnach fertig. ↩︎
  3. Die große Ausbeutungsmaschine macht’s möglich. Heute kannst du dir dank moderner Sklaverei alles nach Hause liefern lassen. ↩︎

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