Wunderando (2)

Der große MGB-Heiligencheck

It’s tough as hell to become a damn saint. No job for candy-asses, Porsche pussies, and gun nuts. You’ve gotta take it like Rocky. Or Saint fucking Holden.
(Artwork: Munich Globe Bloggers)

… eine schrullige Variante von Rodins Denker, Karussell fahrend, in endloser Dauerschleife vor sich hin grübelnd.

Munich Globe Bloggers – Saints Department

(Hier geht’s zur ersten Folge: Wunderando 1)

Um die Spannung Richtung Unendlichkeit zu wuppen, bedienen wir uns eines ebenso alten wie ökonomisch optimierten Tricks: Wir faseln etwas von einem technischen Survey-Fail, wonach die Plätze 8 bis 10 falsch berechnet wurden. Nach einem qualitätsmanagementigen Reload der Ranking-Credits unter vollständiger Berücksichtigung des quasi unsichtbaren Kleingedruckten im zuständigen Paragrafen-Friedhof wurden diese Plätze … Trommelwirbel und all der Scheiß … neu vergeben. Fanfare und so.

Only the Phony

Wir gratulieren unserem nachnominierten Heiligen auf Platz 10: The one and lonely Saint Holden! Mumienfrisch bei uns eingetroffen – in einem New Yorker Taxi. Saint Holden ist der Schutzpatron aller in einem klippennahen Kornfeld spielenden Kinder. Ferner überdacht sein transzendenter Regenschirm sämtliche Enten dieser Welt, einschließlich die der obskuren Enten-Matrix, zehnjährige Mädchen mit dem wundervollen Namen Phoebe, creepy Exponate in naturhistorischen Museen, Leute mit missglückten Suizidversuchen und praktisch jedes Kinderkarussell auf diesem runtergegschaftelhuberten Planeten.

Pech für die fucking phoneys (Politiker, Konzerndeppen, Lobbyisten, Mainstream-Medien-Fuzzis, Waffenhersteller, Waffenlieferer, Waffenlieferungsforderer, Tierquäler, Ausbeuter and many more): Ihnen sprüht Saint Holden ein betonsolides „Fuck you!“ direkt unter die Nase. Seine eher maue Platzierung in diesem Ranking ist weniger eine Frage der Integrität als eine pragmatische Angelegenheit. If you really want to know: Wem Holden helfen will, ist entweder temporary not available (Kinder im Kornfeld) oder braucht seine Hilfe nicht (Phoebe).

Bananafisherman’s Blues

Holden Caulfield, wie er zu Lebzeiten hieß, war ein goddam Sensibelchen. Einer, der immer wieder von „orgasms of beauty“1 geschüttelt wurde. Aber Empfindsamkeit ist nun mal die Voraussetzung für Achtsamkeit. Wer wie ein SUV durchs Leben panzert (siehe phonies) wird diesen Zustand nie erreichen und nie für die Kraft von „real poetry“ empfänglich sein. Leider leiden hypersensible Menschen öfter als gesund wäre. Einmal generell – quasi am Zustand der Welt – und einmal speziell: an unzähligen erlebten Augenblicken, welche die Emo-Antennen dieser Menschen überfordern.2 Wir zitieren unsere Lieblingsstelle in The Catcher in the Rye3, die wir überhaupt für eines der feinsten und subkutansten Literaturfetzen halten, die wir in diesem gleichgültigen Kosmos finden konnten:

I felt so damn happy all of a sudden, the way old Phoebe kept going around and around. I was damn near bawling, I felt so damn happy, if you want to know the truth. I don’t know why. It was just that she looked so damn nice, the way she kept going around and around, in her blue coat and all. God, I wish you could’ve been there.

It really kills us.

Again and again.

Tombstone Graffiti

Denken wir an Sankt Holden, sehen wir eine schrullige Variante von Rodins Denker, Karussell fahrend, in endloser Dauerschleife vor sich hin grübelnd. Ob er unser Freund geworden wäre, hätten wir zur selben Zeit (1949) am selben Ort (Pennsylvania und New York City) gelebt und wären im selben Alter gewesen? Mr. Aufgeschlossen war er eher nicht. Wobei uns sicher imponiert hätte, dass er von der Schule flog.

Das Ende des Buches lässt Raum für Spekulationen: Emanzipiert sich Holden von seiner Weltekel-Phase oder macht er es sich darin so richtig gemütlich mit Dude-Teppich und Buckelwalgesängen? Spekulationen à la Holden wäre freiwillig im winterlichen Central Park erfroren, halten wir für extrem unwahrscheinlich. Holden hatte wenig Bock darauf, dass ihm jemand „Fuck you!“ auf den Grabstein schmieren würde. Das wollte er vermeiden, so lange es in seiner Macht stand. Jede Wette.

Sterben Figuren mit ihrem Autor? Altern sie nach Veröffentlichung des Buches ganz einfach weiter? Oder erleiden sie ein Schicksal, das zwischen den Zeilen versteckt angedeutet wurde? Wir überlassen das der kosmischen Lotterie und argumentieren anders rum: Wenn Sankt Holden ein Heiliger ist – und das steht für uns außer dings –, dann ist er wohl irgendwie vorher gestorben.

Saintness is a game, boy. Saintness is a game that one plays according to the fucking sainty rules.

Game, my ass. Some game.

Quick Facts

  • Heiligenschein-Leuchtkraft: 100 BNYHZF (Beleuchtete New Yorker Hotelzimmerfenster)
  • Anrufungseffizienz: Lousy. Bei Kontaktversuchen wird Saint Holden vermutlich Taubstummheit vortäuschen. Wer was von ihm will, müsste die Message auf einen Zettel kritzeln und ihm rüberschieben. Very mühsam, indeed.
  • Wunderreichweite: Überall da, wo Enten schwimmen oder wo sich ein Kinderkarussell dreht.
  • Torture-Level: 8 (gezwungen, in einer Welt full of phonies and morons zu leben)
  • Instagrammability: Fuck the fuck off! Social media is a phony and „soul-sucking void of meaningless affirmation“. (Wednesday Adams)
  • Kernkompetenzen: Von der Schule fliegen; Phonyness Detection; Beauty Alert
  • Künstlernamen/Nicknames: Duckman; Duckleberry Finn; H.V.C. (Holden Vitamin Caulfield)
  • Powerslogans: „You really kill me!“; „You give me a royal pain in the ass“; „Strictly for the birds”; „Es war kalt wie ein Hexen-Nippel”
  • Jubelgeste (bei erfolgreichem Wunderabschluss): Sankt Holden dreht sein Jagdkäppischild nach hinten (wie Stallone in Over the Top)
  • Autobiografie: Phony Planet. A life that really knocked me out.
  • Lieblingsbücher: The Great Gatsby; The Secret Goldfish (D.B. Caulfield)
  • Lieblingsfilm: Phoebe in Wonderland (2008)
  • Lieblingsort: Any moron free zone
  • Lieblingssport: Duck Watching; Rye Watching; Phoebe Watching; Illiterate Reading
  • Lieblingsheilige: Saint Phoebe
  • Lieblingssong: If a body catch a body coming through the rye (The unsaintly Saints);
  • Bevorzugter Treibstoff: Scotch & Soda
  • Auszeichnungen: Teenager of the Century; Cult Book Hero of the Century; Phoniness Detective of the Century

(Hier geht’s zu Platz 9 unseres Heiligenrankings: Wunderando 3)

Post-its

  1. Diese Formulierung stammt aus dem Kommentar-Heftchen Cliff Notes on Salinger’s Catcher in the Rye, 1992. ↩︎
  2. Wir zitieren nochmals die Cliff Notes: „They are all hypersensitive individuals who suffer from excess of beauty as they do from failures of love.“ ↩︎
  3. J. D. Salinger: The Catcher in the Rye, 1951 ↩︎

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