Lost in Contemplation: Episode 1
Beauty dies where litter lies.
Schild in den Japanese Gardens, Brallistown Little, Co. Kildare, Irland
Der Meister. Nichts anderes im Sinn, als seinem nichtswürdigen Lehrling (Zenzubi) metaphysische Steine in das Bündel packen. Diesen Garten des Lebens zu finden erfordert mehr Zeit, als ein Menschenleben entbehren kann. Mit GPS oder wenigstens einer Analogkarte ginge es vielleicht auch an einem halben Tag. Von Hollywood in den Wicklow Mountains irre ich von Kreisverkehr zu Kreisverkehr. Die Hälfte davon kommt mir irgendwann bekannt vor. Déjà-vu-Hopping.
Ein Glück, dass Irland eine Insel ist – wer weiß, wo ich sonst gelandet wäre. In diesem Zustand maximaler Verzweiflung erinnere ich mich an einen alten Trick der Jedis. Ich fahre mit verbunden Augen weiter und vertraue der Macht. Keine 10 Minuten später stehe ich am Eingang der Japanese Gardens, gefühlte 2.000 Meilen südwestlich von Dublin, tatsächlich aber nur 50 bis 60.
A Jedi never uses the force to pull a fast one. Na gut. Ausnahmsweise.
„Sorry, we’re closing“, sagt die Lady an der Kasse.
No way. Bin immer noch im Jedi-Modus.
„Dieser Garten ist so lange geöffnet, wie ich es wünsche“, denke ich halblaut. Die Macht strömt aus meiner Hand direkt in ihren Kopf.
Die Lady: „This garden will be open as long as you wish, Master. You don’t need a ticket. Can I offer you a cup of tea?“
Oha! So viel Service hatte ich nicht erwartet. Einige Sekunden überlege ich, ob die Macht sie auch noch dazu überreden könnte, mir den Inhalt der Kasse zu überreichen.
Doch dann flüstert mein innerer Obi Wan: „Ein Jedi missbraucht niemals die Macht. Er nutzt sie maximal für eine Tasse Gratis-Tee.“
Gateway to heaven
Der Weg durch die Japanese Gardens folgt zwanzig Lebensstationen. Den Anfang macht das Tor des Vergessens (Gate of Oblivion), am Ende steht das Tor zur Ewigkeit (Gateway to Eternity). Das Gate of Oblivion wirkt sehr gründlich. Ein paar Minuten später habe ich vergessen, wie es aussah. Vor der Macht japanischer Zen-Garten-Stationen kapituliert selbst ein Diplom-Jedi. Was mir fehlt, ist ein Tor der flüssigen Erhabenheit. Guinness Gate. Mein Gateway to heaven.
Eichen pflastern seinen Weg
Die Japanese Gardens sind höchst schwebewirksam komponiert. Besonders nach der abendlichen Schließung, wenn die Touris durch das Tor der Ewigkeit verschwunden sind. Harmonie bis zum lyrischen Behave!-Schild: „Beauty dies where litter lies“.
Allerdings auch sehr traditionell, diese Japaner. So harmonisch diese Komposition aus Pflanzen, Wasser, Steinen und kleinen Bauten auf das Auge wirkt, so bedrohlich versperren altmodische Lebensentscheidungen den Gedankenpfad, wie knorrige Eichen aus einem düsteren Wald.
Engagement Bridge. Marriage Bridge. Honeymoon Path. What the Darth?!
Be water, my friend
Fuck it. Dieser Garten pimpt mein Selbstbewusstsein. Ich will es wissen. Leichtfertig wie ein Padawan, hinter dessen Ohren ein nie versiegender Quell sprudelt, wähle ich den steinigen Weg (Ruggend Path) statt dem Easy Path (direkt in die Ewigkeit). Aber nur, weil ich sonst die kleine rote Bridge of Life verpasst hätte. Ein begehbarer Glückskeks. Sie verwandelt mich augenblicklich in einen walking Haiku.
Steine im Wasser die Stille trägt mich ein Stück – platsch!
Bruce Lees Kranich auf dem glitschigen Stein im Bächlein war eine Nummer zu ambitioniert. Meine Schuhe quaken. Ihr Sound begleitet mich zum Gate of Eternity. Ob Bruce Lee das meinte, mit seinem legendären „Be water, my friend!“?
Geprüft und gereift fließe ich hindurch.
(Weiter zu Folge 2: The Art of Resting)