Open Memory Box: Zonen-Gabis Lauffotoalbum
Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael
Nina Hagen: Du hast den Farbfilm vergessen (1974)
nun glaubt uns kein Mensch, wie schön’s hier war ha ha
Ach, die Zone! Ohne sie gäb’s keine bananenstolze Gabi im Glück. Keine Pappkutschen. Kein Wofacutan. Kein Bombastus, kein Pfeffi, keine Tempobohnen, kein Trolli, kein Tupfi, kein Zetti. Allesamt Top-Kandidaten auf das Unesco-Weltkonsumerbe.
Auch wahr: 40 Jahre hinter dem legendären Graffiti-Laufsteg, das war kein Einhornpensionat. Da wurde sogar gelebt. Und wie! Die Zonis hatten vielleicht nicht so schicke Nietenhosen wie die scheiß Wessis, aber sie waren fucking Improvisationskünstler. Ob selbst gemachte Rollbretter (Skateboards) oder selbst angebaute Kartoffel. Die Zonis konnten alles. Sogar echte Parties gab’s. Mit Bier und Schnaps. Urlaub und Camping. Fast wie im richtigen Westleben. Nur halt nicht aus dem Supermarkt, sondern selbst gemacht. Damals belächelt – heute mega-en-vogue. Stichwort: DIY.
Privater Zonen-Selfie
Weniger sichtbar als die spleenige Waren-Evolution: Wie sahen sich die Zonis selbst? Als degradierte Historyloser? Als coole Komfortzonengourmets? Was die Open Memory Box zusammengestellt hat, ist quasi ein privater DDR-Selfie. Filmaufnahmen von Puffmais-Peggy und Mitropa-Mike aus 40 Jahren, umgesetzt mit 8-mm-Zellullitis. Oder Zelluloid. 400 Stunden Film kommen da zusammen. Aus 150 Zonenbewohnerhaushalten.
Hitchcock-Faktor?
Ungefähr wie der einer vierstündigen Lesung aus dem Auftragsbuch des Petrolchemischen Kombinats Schwedt. Nach zwei Flaschen Frau-Holle-Schampus.
Endlich: Micha rehabilitiert
Ich im Bikini und ich am FKK Ich frech im Mini, Landschaft ist auch da – ja Aber, wie schrecklich, die Tränen kullern heiß Landschaft und Nina und alles nur schwarzweiß Nina Hagen: Du hast den Farbfilm vergessen (1974)
Was haben die Leute so gefilmt?
Feiern, Strand, Urlaub. Alles, was so im Weg stand. Auch FKK. Ausziehen war megaknorke. Der Staat legte nämlich sehr viel wert auf private Transparenz. Das Stichwort Liegestuhl beschert eine Menge Treffer. Ebenso Bier, Kartoffel(n), Wäscheleine und Wohnzimmer.
Anders als erwartet, war die Mauer nicht die Hauptattraktion beim DDR-internen Sightseeing. Da sind andere Sights klar vorne. Zum Beispiel Hiddensee. Sogar in Farbe. Damit ist Nina Hagens Micha quasi rehabilitiert.
Erkenntnisgewinn?
Ganz klar: Innerhalb ihrer vier Mauern waren die Zonis angenehm verwegene Abenteurer. Und praktisch genauso neben der Kappe wie die Wessis. Nur eben mit anderen Mitteln. Wobei: Schnaps war auch in der Zone Schnaps. Auffällig viele Filmsequenzen zu Hafen und Schifffahrt. Couchmaster Sigmund würde da womöglich ein unterbewusstes Fernweh oder Rausweh hineingeheimnissen.