What the Fritz …?! auf Jersey
Die Wassertemperatur ist allerdings auch very british. Eher ein Schaubad als ein Schwimmbad.
Jimmy Walker Jr.
Pool, Britannia!
Seebäder are my cup of wood. Ich mag sie oldschool. Art Deco und so. Ungepimpt. Das Alter muss spürbar bleiben. Beim Havre des Pas Bathing Pool in Saint Helier ist es Nostalgie auf den ersten Blick. Das Bad ist völlig leer an diesem Junitag. Mein Hirn ergänzt Männer in Badeanzügen und Frauen mit opulenten Kopf-Gadgets. Die lebensgenussigen Zwanzigerjahre. In England hießen sie Roaring Twenties. Da linkt mein Hirn eher zum MGM-Filmlöwen. Roaaaar! Jedes kleine Detail hier ist marvellous. Die Farben und Linien, die verrosteten Metallbögen über dem Eingang. Dazwischen der Schriftzug Jersey Swimming Club. Und diese Möwe. Sieht aus wie echt. Ohhh! Sie ist echt. Die Wassertemperatur ist allerdings auch very british. Eher ein Schaubad als ein Schwimmbad. Schon okay. Der Wind erfrischt genug.
Wir landeten mit der Fähre von Saint Malo, Bretagne. Das Boarding verlief ähnlich wie am Flughafen. Gepäckdurchleuchtung und all der Scheiß. Was erlaube Brite? Kaum raus aus der EU macht er einen auf fucking Yankee-Paranoia.
Die Globalisierung bringt die Grenze nicht zum Verschwinden, sondern induziert und erzwingt fortwährend Schließung, Selektivität und Intensivierung von Kontrolle.1
Für das klosterchristliche Earlybirding und das anschließende sinnbefreite Herumgewarte entschädigt uns die morgengräuliche Ärmelkanalüberfahrt mit einem inszenierten Delfin-Crossing. Hoffentlich werden Flipper & Friends anständig entlohnt für das professionell choreografierte Vorbeischwimmen. Wohl kaum. Die Super-Untote Iron Bitch Maggie fucking Thatcher würgt Kleingeistbritannien immer noch mit ihren neoliberalen Klauen. Sprich: Kuchen für den König, McKrümel für den Pöbel. Dass sie zeitlebens Germany-skeptisch war, kann man der ollen Ausbeuterschachtel indes nicht verübeln, obgleich ihre eigene Schadensbilanz um einiges nachhaltiger war als die von „The Blitz“.
Fucking Fritz was here
Leichtes Spiel hatten die Unkrauts mit Jersey, das sie 1940 widerstandslos angriffsinvadierten. Solide aufbereitet ist diese Geschichtsepisode in den War Tunnels, Saint Lawrence. Knapp fünf Jahre parkten die Unkrauts ihre braunen Ärsche auf Jersey. Tausende Zwangsarbeiter schufteten ein kilometerlanges Tunnelsystem aus dem Fels. Größe und Größenwahn waren immer ein Faktor großdeutscher Schnapsvisionen. Wir sagen nur: Prora2.
Wie überlebten die verbliebenen Insulaner während der Unkrauts-Phase? Hier sprechen Zeitzeugen: Menschen und Akten. Bilder und Fakten. Viele Original-Dinge. Fahrräder, Medikamente, Gasmasken, Möbel, Telefone. Die Atmo in den Tunnelgängen verbleiwestet die Leichtigkeit. Mary Rolfe, damals Schulkind, erinnert sich:
An exciting episode during the occupation was when the Germans shot down one of their own planes. The plane crashed in the field behind our house. (…) There were bits of plane everywhere and a boot complete with the foot still in it was in a tree. This was the talking point for months to come.3
Very Unkrauts dagegen die „Bekanntmachung“ und auch noch auf Deutsch – so viel Herrenmenschen-Arroganz muss sein – dass der „Angeklagte“ Louis Berrier zum Tode verurteilt wird, weil er „eine Brieftaube mit Nachrichten für England“ hat fliegen lassen. Fällt unter „Spionage“. Welch bombastische Denk- und Humanitätsperformance.
I want to marry a Lighthouse
Draußen ist es gefühlt zwanzig Grad wärmer. Bisschen Meerblick als Kontrast wäre schön. Das Busnetz funktioniert. Zeit für Le Stimmungsbooster. Der Leuchtturm La Corbière ist nur bei Ebbe erreichbar. Da ist Timing gefragt, damit man rechtzeitig zurück ist. Auf einer Memo-Tafel steht: 1946 ertrank hier der assistant lighthouse keeper Peter Larbalestier, als er einen Besucher retten wollte, den die Flut von der Insel abgeschnitten hatte. Auch hier wuchern noch Ruinen deutscher Weltpenetrationsbemühungen. Der scheinbar unkaputtbare Beton-Gucksdi starrt neidisch hinüber zum eleganten Leuchtturm aus den 1870er-Jahren. Sie hätten hinterher ihren Scheiß wenigstens wieder aufräumen können. So much for Kehrmacht!
Deutlich beglückender ist unser Quartier im klobigen Archirondel Tower, der sich zum Meer hin von seiner rot-weißen Seite präsentiert. Eine Art vertikales Seebad. Vom Dach und aus den kleinen Fenstern segelt unser Blick möwenstylemäßig über Sankt Catherine’s Bay an Jerseys Ostküste. Dank meiner wunderbaren und noblen Begleiterin haben wir diese Hütte drei Tage lang ganz für uns alleine. Wenn jetzt noch in einem der Stockwerke ein Radiostudio eingerichtet wäre, würde ich sofort auf Sendung gehen und mir einen meiner Langzeitträume erfüllen: Platten auflegen, eukalyptusgesalbt durch die Welt philosophieren und dabei kosmopolitisch in die Ferne gucken. Yeah!
Morsezeichen
- Steffen Mau: Sortiermaschinen. Die Neuerfindung der Grenze im 21. Jahrhundert; 2021, Verlag C. H. Beck. ↩︎
- Prora: Unvollendetes KdF-Seebad auf Rügen, das der großdeutsche Oberwirrkopf zwischen 1936 und 1939 in den Sand wuchten ließ. Zum arischen Großbadespaß kam es dann nicht mehr. Hihi. ↩︎
- Mary Rolfe: Das stibitzte Zitat steht auf einer Ausstellungstafel in den War Tunnels. ↩︎