Delikate Ermittlungen in Popenesien
Eine feine Brise Aufbruchstimmung streichelte den Vatikan. Der scharfsinnige und mutige Vordenker Kardinal di Moda berichtete stolz, er habe schon von einem 20. Jahrhundert gehört.
Scarlett Carson: Skandal im Spaßbezirk
I. Weihrauch und Syphilis
Im Vatikan herrschte Aufregung. Kardinal Myrrhe lies die Weihrauchbombe platzen.
„Der Papst ist schwanger!“
Die Worte schlugen ein wie ein Meteorit, teilten im Moses-Style das Meer aus flüsternden und raschelnden Purpur-Models. Verglichen mit dieser Kunde wäre die Nachricht vom Tod seiner Unfehlbarkeit so leicht verdaulich gewesen wie eine weitere Niederlage des FC Guardia Svizzera. In knapp 50 Jahren verlor der Club jedes Spiel der Vatikanmeisterschaft. Den Abstieg verhinderte nur die Tatsache, dass es im Kruzifixstaat lediglich eine einzige Fußball-Liga gab. Und nur drei Teams.
„Heilige Scheiße!“, sagte Kardinal Bimbam.
Kurienkollege Myrrhe brachte das Dilemma etwas eleganter auf den Punkt: „Skandal oder Wunder?“
Kardinal Kreuz legte seine Stirn in drei Falten. „Wunder. Wir müssen die Heilige Kirche gegen die Mauren verteidigen. Mehr denn je! Dafür brauchen wir Triumphe. Je mehr, desto besser.“
„Skandal!“, polterte Kardinal Bimbam. „Die Bibel kennt keine schwangeren Männer. Nicht einmal Würdenträger. Unsere Schäfchen werden in Scharen austreten oder zum Islam überlaufen, weil sie uns für verkommen halten.“
„Der Papst ist unfehlbar“, entgegnete Kardinal Kreuz gelassen, „und wenn die Frucht seines Leibes Hörner hat.“
Kardinal Myrrhe gebot dem anschwellenden Getuschel Einhalt: „Wir müssen klären, wie es dazu kam. Dann sehen wir weiter.“ Als er in die von Weihrauch und Syphilis gezeichneten Gesichter blickte, kamen ihm große Zweifel. Dennoch fiel es ihm schwer wie ein Kreuzwegmarathon, folgende Worte über seine Lippen zu manövrieren: „Wir sollten Hilfe von außen konsultieren. Diskret versteht sich.“
II. Schnüfflerparade
Eine Woche später verlas Kardinal Myrrhe vor dem babypopsölgesalbten Gremium eine Liste der aussichtsreichsten Kandidaten:
„James Bond“.
„Der versündigt sich an unserem gesamten weiblichen Personal und legt den Petersdom dreimal in Asche, bevor der Hahn zweimal kräht“, warnte Kardinal Bimbam.
„Privatdetektiv Simon Brenner.“
„Bis der eine Spur hat, ist der Heilige Vater ein zweites Mal schwanger. Jüngstes Gericht nichts dagegen“, wetterte Kardinal Unwetter.
„Father Brown.“
„Ein einfacher Dorfpfaffe soll klarer sehen als jeder einzelne aus unseren Reihen, die mit höchsten Würden gemästete Kurie? Und heißt es nicht, Father Brown versetze sich im Geiste in den Täter? Wie kann sich – wenn wir bei unseren zwei extremsten Hypothesen verbleiben – ein Mensch in den Teufel oder in Gott hineinversetzen, ohne wahlweise in die tiefsten Abgründe zu blicken oder sich anzumaßen, Gottes Gedanken zu durchschauen?“, gab Kardinal Bimbam zu bedenken.
„Charlie Chan.“
„Ein Schlitzauge, noch dazu ein ungläubiges, betritt dieses Refugium nur über meine Leiche!“, wetterte Kardinal Unwetter.
„Inspector Clouseau.“
„Erbarmen!“, schallte es in nie da gewesener Einstimmigkeit gleichzeitig aus den entsetzten Kardinalskehlen.
„Nicht, dass wir hier immer alle Kelche in der Vitrine haben“, ergänzte Kardinal di Moda, „aber nach einem Clouseau-Besuch fürchte ich, erhält unser triumphaler Kirchenstaat ein neues Label: größte Rappelkiste des Universums. Diese zweifelhafte Ehre sollten wir besser der weltlichen Politik überlassen.“
Es folgten:
„Sherlock Holmes.“
„Der gräbt uns sämtliche Leichen aus dem Keller, sogar die Verjährten. Da können wir gleich den Deschner einladen.“
„Miss Jane Marple.“
„Erst schimpfen alle über die schrullige Schnüfflerin und am Ende erhält sie Heiratsanträge von der halben Kurie. Nein, diese neugierige alte Jungfer ist weit gefährlicher für unser Seelenheil als hundert Marilyn Monroes.“
„Emma Peel und John Steed.“
„Und anschließend tragen unsere Missionarinnen Minirock und unsere Missionare verwandeln sich in Gentlemen? Ausgeschlossen!“
„William von Baskerville.“
„Dieser Narr von einem Engländer hat das hoch venerable Amt des Inquisitors verraten, um ein paar Ketzer zu verschonen. War nicht auch der Leibhaftige vor seinem Absturz ein Franziskaner?“
„Kurt Wallander.“
„Säuft uns alles weg, was geistreich ist, der alte Schwede: Verschont weder Messwein noch Weihwasser. Da bräuchten wir die gesamte Schweizer Garde, nur um unsere Heiligen Geister zu bewachen. Speziell um unsere Hausmarke Vat 69 und unsere geheime Wodka-Pipeline aus Moskau mache ich mir Sorgen, wenn Wallander durch unsere heiligen Hallen melissengeistert. Ich bezweifle, dass unsere Standard-Gebete hierfür ausreichend Schutz gewähren.“
III. Ürbi et Örbi
Widerwillig entschloss sich Kardinal Myrrhe, doch selbst zu ermitteln. Vier Wochen später nahm eine vierköpfige Kommission die Arbeit auf. Unter Myrrhes Leitung.
Kardinal Bénitier meldete sich zu Wort. Er sprach mit starkem französischem Akzent. Am Ende jeden Satzes setzte er ein „öh“ und hob die Stimme: „Was treibt der ʼeilige Vatér eigentlisch die ganse Tag ünd Nascht-öh? Er kann döch unmöglisch immer nür »ürbi et örbi« vor sisch hinbrabbeln-öh. Davön wird nischt einmal eine Kaninschen schwanger-öh. Ist der ʼeilige Geist etwa an der falschen Stelle in ihn gefahren-öh?“
„Erstens: Unser Sanctitas ist ein Mann des Geistes – irdische und materielle Dinge sind ihm so fremd wie die Verlockungen der Sünde. Zweitens: Die Wege der göttlichen Empfängnis sind unbegreiflich“, beruhigte ihn Kardinal Kreuz. Dabei kratzte er sich gedankenverloren am Klingelbeutel.
Eine feine Brise Aufbruchstimmung streichelte den Vatikan. Der scharfsinnige und mutige Vordenker Kardinal di Moda berichtete stolz, er habe schon von einem 20. Jahrhundert gehört. Voller Eifer beschloss man, statt des bewährten Hausrezeptes Exorzismus etwas Neues auszuprobieren: eine interessante, wenn auch latent ketzerische Mischung aus Esoterik und Psychologie. Am Heiligen Abend wurde der Papst auf eine Couch gelegt, wo er weiter „urbi et orbi“ vor sich hin brabbelte.
Als Kardinal Myrrhe den Papst zum 666. Mal anfeuerte mit dem gebärpsychologisch wertvollen Slogan „Lasst es raus, Eure Heiligkeit!“, entfuhr dem Papst ein Urschrei, der ihn als Tarzan-Voice-Double qualifiziert hätte. Unter seiner Soutane kroch ein goldenes Lamm hervor.
„Ein Wunder! Das Lamm Gottes!“, frohlockten die Kardinäle und fielen auf die Knie. Dabei erhaschten sie einen Blick auf den entblößten Hintern seiner Heiligkeit. „Reconquista Reloaded“ verkündete feurig ein Tattoo. Es schien mit einem erzengeligen Flammenschwert geschrieben.
„Cool!“, sagte Kardinal Myrrhe, nun ganz der Mann von Welt und erleuchtet vom seltenen Glanz geistiger Klarheit. „Wenn die Leute an lila Kühe glauben und an Frieden durch Waffen, bringen wir auch ein goldenes Schaf an den Mann.“
Und der Vatikan begann so kometenhaft zu leuchten, dass Schafe aus aller Hirten Länder das Zeichen sahen und sich auf den Weg nach Rom machten.