Once upon a Time in a Nest

Jackass & Bullock im Wilden Westen

„Men like us are facing extinction.“
„Yeah, seems we’ve become expendable.“
„Cool, so it won’t matter who draws first.“
(Artwork: Munich Globe Bloggers)
Scarlett Carson: Once upon a Time in a Nest

I. Gefüllte Stiefel

Punkt 12 Uhr mittags hielt der Zug in Little Fake.

Am Bahnsteig lagen drei Paar Stiefel.

In den Stiefeln steckten drei Männer.

In den Männern steckten drei Kugeln.

„Fakes Männer“, sagte Knowbody.

Eigentlich hieß er Jackass. Doch hier im Wilden Westen benutzte er einen Prärie-Namen.

„Die Indianer machen das auch so“, sagte Jackass zu seinem Partner Bullock. „Oder glaubst du vielleicht, jemand wird ‘Niesender Bär’ getauft. Oder ‘Tanzender Büffel’? ‘Singender Lachs‘? ‘Kopulierende Taube’?“

Bullock wusste keine Antwort darauf. Er grinste nur verlegen in die nicht vorhandene Kamera. Ehrlich gesagt war es ihm egal, ob Indianer-Eltern oder vielleicht der ganze Stamm in demokratischer Abstimmung Kindern diese seltsamen Namen gaben oder ob Indianer sich ihre Namen selbst aussuchten. Er fand es einfach nur cool, hier in Arizona oder wo auch immer sie gerade herum irrten, einen passenden Namen zu haben. Das klang souveräner und zugleich mysteriöser.

Bullocks Prärie-Name war Slowbody, weil er wirklich nicht der Schnellste war. Die Gedanken in seinem Kaktus galoppierten nicht wie ein Mustang – sie humpelten von einer Gehirnzelle zur nächsten wie ein angeschossener Kojote auf der Suche nach einem humpelnden Murmeltier.

II. Do not wear fake fur

Knowbodys Blick surrte über die drei toten Cowboys in den Stiefeln, als wäre er eine lästige Fliege, die mal hier landet, mal dort, und kaum verscheucht, schon wieder Platz nimmt. Die toten Cowboys waren nackt.

„Spielen immer Strip-Poker, wenn ihnen beim Warten zu heiß wird“, sagte Knowbody.

Einige Minuten später hatte der Witz auch Slowbodys Gedankenverarbeitungsmanufaktur durchlaufen. Er grinste. Slowbody – nicht der Witz. Eine sehr diplomatische Reaktion. Sie konnte heißen: „Gelungener Witz.“ Aber auch: „Was sind das nur für komische Vögel. Bin leider zu faul, den Kopf zu schütteln. Der ist so schwer und rasselt immer so doll.“

„Die Pferde sind noch warm“, sagte Knowbody. Er saß schon im Sattel. „Also liegen die Stiefel noch nicht lange hier.“ Klang sehr detektivisch. Gerichtsmedizinisch allerdings bedenklich. Fakes Männer hatten die Pferde in der prallen Sonne geparkt.

Auf dem Weg nach Great Fake City sahen Knobody und Slowbody einen seltsam krummen Kaktus.

Im Kaktus steckte ein Pfeil.

Der Pfeil sang. „Do not wear fake fur O my darlin‘ / On this our wedding day…“

Ein Geier fiel vom einzigen Ast in 49 Meilen Umkreis.

III. Wilder Western

Der Wilde Westen ist keine Hollywoodschaukel. Sonst hieße er Milder Westen. Folglich sind Western auch keine Gutenachtgeschichten für sensible Pimpfe. Im Western rauchen sogar Colts und Stiefel. Und an jedem dritten Ast baumelt ein Pferdedieb.

Doch die Essenz des Western, seine Seele, ist das Warten. Meistens auf den Tod. Einmal wartet der Held und die Gangster kommen mit dem Zug. Beim nächsten Mal warten die Gangster und der Held darf Zug fahren. Manchmal wartet sogar eine schöne Frau vergeblich auf jemanden, der sie abholt. Und dieser jemand ist weiter geritten. Nach Santa Crux oder in die ewigen Kaktusgründe.

Und da wäre auch noch der Sheriff. Er sollte sich eigentlich um Streitigkeiten kümmern, aber ein Sheriff ist auch nur ein Mensch. Er hat mittags keine Sprechstunde, ist manchmal besoffen, oft Analphabet, hat kein Pferd, dafür Spielschulden und zu Hause eine bärbeißige Frau, die ihn ab 22 Uhr grundsätzlich mit dem Nudelholz begrüßt.

Was also tun, wenn kein Sheriff zur Hand war? Dann braucht man einen Colt. Oder Männer mit Colt. Zum Beispiel Knowbody und Slowbody aus Big Fake.

IV. Greenhorns kosten die Hälfte

Eine Woche zuvor …

Es klopfte.

Knowbody & Slowbody – Diplomkiller stand auf dem Türschild.

„Hereinspaziert, wenn’s kein Sheriff ist“, sagte Knobody. Gefolgt von einem indianischen „Ufff!“ als die wunderschöne Kardinalswitwe Mrs. Rose vor ihm stand. Sie erinnerte Knowbody an eine Frau, mit der Slowbody und er vor vielen Jahren in Santa Fake gepoppt hatten. Was für eine Jahrhundert-Nummer! Bigger than death. Mindestens.

Mrs. Rose erzählte ihnen, wie Frank Fake sie um ihr Vermögen geprellt hatte, wie sie ihre großen Brüder zu Fake geschickt hatte und wie die beiden zurückkamen, ohne Geld, dafür mit zwei Särgen. Sie lagen darin. So vollgepumpt mit Blei, dass man sie nicht beerdigen durfte, um das Grundwasser nicht zu vergiften.

„Okay, Lady. Macht 1.000 Frösche für Fake“, sagte Knowbody schließlich. „Irgendwelche Extras? Drei Männer von Fake und der Sheriff sind frei. Für alle weiteren Männer berechnen wir 100 pro Nase. Kinder kosten doppelt, Schwiegermütter und Greenhorns die Hälfte. Rücktrittsversicherung, Ma’am?“

Knowbody war geschäftstüchtig. Und absolut professionell.

V. Whisky & Coffins

Die beste Bar in Great Fake City hieß Great Fake Saloon.

„Zwei Whiskys und drei Särge“, sagte Knowbody. Hinter ihm warf ein Mann einen Schatten. Der Schatten zog einen Colt. Knowbody knallte beide ab.

„Sorry “, sagte Knobody zum Barkeeper, „vier Särge.“ Er drehte sich zu Slowbody. „Mann und Schatten sollen sich gefälligst einen Sarg teilen.“

Der Showdown kam schneller als ein Theologiestudent beim ersten Sex.

Frank Fake stand in der Tür. Kurz zuvor hatte er eine alte Indianerin abgeknallt.

„Na, was strickst du, Vogelscheuche?“

„Deinen Sarg, Baby!“, hatte sie geantwortet und gekichert wie eine Packung rieselnder Knallerbsen.

Noch ehe Knowbody und Slowbody ihre Colts auch nur berührt hatten, kauten Frank Fake und seine zwei Bodyguards den Staub der Straße. Sie hatten schon exquisiter gespeist.

„Fuck!“, sagte Knowbody. „Jemand macht unseren Job.“

Begleitet von einer unheimlichen Mundharmonika-Melodie trat ein unverschämt schönes Mädchen in den Saloon.

„Du warst das? Sag uns, wer du bist“, sagten Knowbody und Slowbody synchron.

VI. The Moment of Dad

„Erst im Augenblick des Todes.“

Das Mädchen zog und schoss.

Knowbody und Slowbody kippten um.

„Scheiße, sind wir tot?“, fragte Knowbody zehn Minuten später.

„Nein, ihr Schattenausweicher“, sagte das Mädchen, „das waren Platzpatronen. Wollte ein bisschen Spannung aufbauen. Ich erschieße doch nicht meine Daddys.“

Knowbody und Slowbody lagen mit offenen Mündern da, unfähig sich zu rühren. Bei Knowbody kam die Message nach einigen Minuten an. Bei Slowbody war sie deutlich länger unterwegs und versandete schließlich in einer Steinwüste, wo sich ein Geier über sie hermachte.

Mrs. Rose trat in den Saloon.

„Männer wie ihr sind sowieso zum Aussterben verdammt. Genau wie der Western. Also freut euch nicht zu früh, dass ihr noch lebt. Eine neue weibliche Epoche …“

Ehe Mrs. Rose diesen Satz und noch viele weitere Sätze beenden konnte, saßen Knowbody und Slowbody auf ihren Pferden, hatten sich per Handschlag von ihren Schatten verabschiedet und ritten ohne sie in den Sonnenuntergang.

Er war blutrot und spielte Mundharmonika.

(The End)

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